Beziehungsweise
Bildergröße 60 x 60 cm
In der sich rauschhaft ausbreitenden digitalen Vernetzung heißt Mensch-Sein immer mehr Verknüpft-Sein mit Anderen. Das Netz verwandelt sich in einen besonderen Resonanzraum, aus dem Andersheit oder Fremdheit eliminiert ist. Eine wirkliche Resonanz setzt die Nähe des Anderen voraus - heute weicht die Nähe des Anderen der Abstandslosigkeit des Gleichen.
Die globale Kommunikation schafft die Ferne ab, erzeugt aber keine Nähe sondern zerstört sie. Statt Nähe entsteht eine totale Abstandslosigkeit
nach: Byung-Chul Han: Die Austreibung des Anderen
Resonanz heißt in der Akustik, dass zwei schwingungsfähige Körper miteinander in Beziehung treten. Die unabhängigen Körper sprechen sozusagen mit eigener Stimme und fangen an, aufeinander zu antworten. Sie sind hinreichend offen, um sich berühren zu lassen von den Klangwellen, die vom anderen ausgehen, aber gleichzeitig geschlossen genug, um selber tönen zu können." Resonanz ist ein menschliches Grundbedürfnis und eine Grundfähigkeit.
Beziehungen ermöglichen Resonanzerfahrungen ("Wir sind auf einer Wellenlänge“). Wir sind im Mutterleib beginnend trainiert zu identifizieren, wer da in einer Situation, wie und warum mit uns spricht oder umgeht. Stimme und Gestik, Augenbewegungen, unwillkürliche Unterbrechungen und all die anderen Zeichen erzeugen eine Wechselwirkung, deren Deutung wir verinnerlicht haben. Wir spüren Authentizität oder Schwindel, Leichtfertigkeit oder Ironie, Larmoyanz oder Anklage, Hysterie oder Rechthaberei mehr, als wir belegen oder beweisen können
In der neuen schier unendlichen Öffentlichkeit des digitalen Netzes kann jeder lesen – aber nicht hören – was der andere geschrieben hat – aber eben nicht gesagt. Fiktive Beziehungen, bestehend aus Projektionen und Offenbarungen ohne leibliches Gegenüber: wir können nicht mehr wirklich identfizieren, wer da mit uns umgeht. Ein idealer Nährboden für manipulierende „fake news“, um das zu glauben, was uns am intensivsten berührt.